„Von Natur ist der Mensch frei (und gleich).“
Immanuel Kant
„Schlaflosigkeit mag uns als eine individuelle Not erscheinen, doch sie ist aufs Engste mit anderen Formen der Enteignung, mit sozialem Zerfall und einem allgemeinen Zustand der Weltverlorenheit verbunden. Seit jeher assoziieren die menschlichen Kulturen den Schlaf mit dem Tod, denn beide verweisen darauf, dass die Welt auch ohne uns fortbesteht. Doch die vorübergehende Absenz des Schläfers enthält stets eine Verbindung mit der Zukunft, mit der Möglichkeit der Erneuerung und mithin der Freiheit.“
Jonathan Crary
Titel und Konzeption unserer Installation verknüpfen zwei Motive miteinander: Freiheit und Schlaf als Spannungsverhältnis.
Unsere Altvorderen waren noch der festen Überzeugung, die Nacht sei zum Schlafen da. Das klingt mittlerweile trivial und hausbacken. Dabei gibt es unter Lebewesen kaum einen existenzielleren evolutionsgeschichtlichen Vorgang als das
physiologische Bedürfnis und die Notwendigkeit zu ruhen oder zu schlafen.
Zu unserer biologischen Grundausstattung gehört elementar der Schlaf-Wach-rhythmus, der durch eine auf Wettbewerb und Wachstum, Produktivitätssteigerung, Zeit- und Effizienzgewinne ausgerichtete Wirtschaftsweise konterkariert wird. Von unausgeschlafenen, übermüdeten Menschen angerichtete Katastrophen, aus Schlafmangel getroffene Fehlentscheidungen, durch Schlafentzug hervorgerufene Gesundheitsschäden an Körper und Geist nehmen wider besseres Wissen kein Ende. Der Wissenschaftler und Schlafforscher Jürgen Zulley hat das Problem unlängst´knapp und plakativ auf den Punkt gebracht: „Zu wenig Schlaf macht dick, dumm und krank“.
Neben der Missachtung biologisch-körperlicher Gesetzmäßigkeiten gerät ein weiteres, nicht weniger existenzielles und elementares Gut unter Druck: unser Verständnis und unser Gebrauch von individueller und sozialer Freiheit. Schutz und Sicherung der Freiheit mit all ihren grundrechtlichen Folgebestimmungen und Ausgestaltungen stehen in demokratischen Verfassungen ganz oben. Angesichts der politischen und gesellschaftlichen Praxis vergangener Jahre drängt sich der mal diffuse, mal konkrete Eindruck auf, die seit der Aufklärung vor über 200 Jahren unter unsäglichen Opfern errungenen Freiheitsrechte legten den Rückwärtsgang ein. Ausgerechnet das Internet, noch vor 20 Jahren als Schlüsselmedium der Freiheit gegen Diktatur und Bevormundung gefeiert, wandelt sich zu einem globalen Gängelungs- und Überwachungsapparat – geheim- und nachrichtendienstlich von Staats wegen, aber auch von Seiten datenhungriger Konzerne, denen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und Privatsphäre ein Geschäftshindernis ist. Thomas Ammann und Stefan Aust sprechen in ihrer kürzlich aufgelegten Publikation gar von „Digitaler Diktatur“.
Die Diagnose von Byung-Chul Han fällt nicht weniger düster aus: „Das Prinzip der Negativität, das den Überwachungsstaat von Orwell bestimmt, weicht dem Prinzip der Positivität. Das heißt: Bedürfnisse werden nicht unterdrückt, sondern angeregt. Kommunikation wird nicht unterdrückt, sondern maximiert. An die Stelle der durch Folter erpressten Geständnisse treten die freiwillige Ausstellung der Privatsphäre und die digitale Ausleuchtung der Seele. Smartphone ersetzt Folterkammer. […] Darin besteht die Effizienz der freien Überwachung. Überwachung gibt sich als Freiheit. Freiheit erweist sich als Kontrolle.“
Die Genitivkonstruktion „Schlaf der Freiheit“ eröffnet bereits auf der grammatikalischen Ebene eine zweideutige Perspektive. Je nach Betrachtung und Interpretation wechseln die Nennwörter „Schlaf“ und „Freiheit“ ihr Verhältnis zueinander. In dieses Spannungsfeld stellen wir also unsere Installation: Ist Freiheit Schlaf? Ist Schlaf Freiheit? Dämmert es uns oder dämmern wir? Schläfern wir die Freiheit ein oder folgen wir ihrem Weckruf? Schläft die Freiheit, gebettet zur ewigen Ruhe? Oder schlafen wir aus und in Freiheit?
Details:
Umsetzung/Beschreibung
Tonmontage
Multiples